Der Wolf ist keine bedrohte Art mehr

15.05.2023

„Der Wolf ist keine bedrohte Art mehr“

HOCHTAUNUS – Bestand nimmt schnell zu – Harte Kritik an „untätiger“ Landesregierung

Die FDP-Landtagsabgeordnete Wiebke Knell führte in die spannende Wolfsdebatte ein und forderte die Landespolitik zum Handeln auf. FOTO: burger

Zu schade, dass sich am Freitagabend von den eingeladenen Naturschutzverbänden niemand hatte sehen lassen. Die FDP Usingen hatte eine illustre und vor allem fachkundige Runde zusammengestellt, die sich mit dem Thema „Wolf in Hessen und im Taunus – was nun?“ befasste – und der Saal war voll. Vielen Bürgern brannten Fragen und Sorgen auf der Seele, aber vor allem Tierhalter aller Art zeigten in der Usinger Hugenottenkirche Flagge.

Gekommen war auch die FDP-Landtagsabgeordnete Wiebke Knell, die in einem kurzen Vortrag auf das Thema einging. Zur anschließenden Debatte mit Fragerunden geladen waren neben den nicht erschienenen Naturschutzvertretern Stefan Wagner als Chef des Kreisbauernverbandes, Karen Sander, Sprecherin der Aktion „Dialog Wolf – Weidetierhalter“, Christian Allendörfer vom Kreisbauernverband/Usinger Land, Manuel Schneider von den Jagdgenossen sowie Frank Cernic und Manuel Schneider, beide von Jagdgenossenschaften.

Sowohl Knell als auch die Fachleute räumten mit zahlreichen Sichtweisen über den vermeintlich bedrohten Wolf auf – und ließen an der Landesregierung kein gutes Haar, schon gar nicht an der Grünen-Umweltministerin Priska Hinz. Kritikpunkte gibt es viele. Da wäre das unzureichende Monitoring, sprich: die Erfassung der Tiere, was auch aus dem Publikum massiv beanstandet wurde. Etwa vom Galloway-Züchter vom Struthof oder dem Schafzuchtbetrieb in Eschbach. Entweder kämen die Experten für DNA-Proben erst gar nicht oder viel zu spät, Analysen dauerten viel zu lange. „Wenn eine DNA-Probe nach acht Stunden erst genommen wird, dann waren am Kadaver schon viele andere Tiere. Am Ende kommt heraus, dass eine Ratte das Tier gerissen hat“, lautete eine zynische Kritik.

Durch die mehr als mangelhafte Nachweiskette entstünden auch völlig falsche Zahlen über den Wolfsbestand. „In Deutschland alleine haben wir mehr als 2000 Wölfe, da kann von einer bedrohten Art keine Rede sein. Schweden mit doppelt so viel Fläche und nur zehn Millionen Einwohnern hat nur 800 Tiere auf der Liste“, hieß es vom Podium.

Die Kritik an der politischen Landesführung geht noch weiter. Denn angebliche Schutzmaßnahmen gegen die Wölfe taugten allesamt nichts. Die sehr teuren Zäune („Würde ich mein Weideland damit versehen, müsste ich knapp 600 000 Euro bezahlen“, so Galloway-Züchter Christian Boss) würden Wölfe ohne Probleme überwinden, Schutzhunde seien extrem teuer und könnten nur in Rudeln Schutz bieten. („Ich habe einen Antrag auf Zuschuss gestellt, aber ich gehe in Vorlage und warte bis 2025 auf den Zuschuss“, so Schafzüchterin Elke Schuhmacher). Die speziellen Schutzhunde seien sowieso für den dicht besiedelten Taunus nicht geeignet. „In den Karpaten, wo viele Quadratkilometer niemand ist, funktioniert das. Im Taunus aber häufen sich die Beschwerden gegen deren Bellen und die Aggressivität. Sie sind aufgrund ihres Wesens nicht zu erziehen und schützen die Herde gegen alles. Und am Ende bin ich in der Haftung“, so Schumacher.

Für Knell befindet sich die führende Politik aus CDU und Grüne im ideologischen Tiefschlaf. „Sie lassen Tierhalter und Bürger alleine.“ Sie selbst sei aufgrund ihrer Aktivität zur Einschränkung des Wolfes mit Morddrohungen versehen worden, habe Polizeischutz für die Familie gehabt, und die Drohungen ließen nicht nach. Das Thema und die Sorgen vieler Menschen über ihre Kinder und Tiere würden nur belächelt.

Jagdrecht ändern

Geht der Wolf an Menschen? „Natürlich, wenn es gerade kein anderes Beutetier gibt, wäre der Wolf auch dazu imstande“, so Cernic, der damit auf die Frage reagierte, wie es denn mit Joggen oder Spaziergängen im Wald aussehe. Er gab den Tipp, sich mit Pfefferspray zu bewaffnen. Denn der Wolf ist nicht nur da, sondern breite sich rasant aus, wie Sander betonte. „Im Jahr 2022 gab es drei Vorfälle. In diesem Jahr – und die Weidetierhaltung hat noch nicht einmal begonnen – haben wir bereits 16 gerissene Tiere.“

Der Wolf, so Knell, habe ein exponenzielles Wachstum von 30 Prozent. Der Bestand verdopple sich als innerhalb von zwei Jahren. Und da er weder bejagt werden dürfe noch mit anderen Mitteln verjagt – zahlreiche europäische und deutsche Gesetze stehen dagegen – verliere er auch die Angst vor dem Menschen. Ganz im Gegenteil: Ortslandwirtin Miriam Preiß betonte, dass einem eigenen Familienmitglied ein Wolf auf dem Fußweg nach Westerfeld bis auf vier Meter nahe gekommen sei, der keine Scheu gezeigt und nur durch den Einsatz eines Regenschirmes das Weite gesucht habe.

Erstaunlich, so Knell, sei auch, wie die Regierung Prioritäten setze. Erst der Wolf, dann der Mensch. „In Waldkappeln hat der Waldkindergarten zugemacht. In Nordhessen schließen Landwirte ihre Weidetierhaltung. Und auch im Taunus hat der Biobauer Etzel nun seine Weidetierhaltung beendet. Wie passt das mit den Grünen-Forderungen nach ökologischer Landwirtschaft und der entsprechenden Freilandhaltung zusammen?“

Schutzmaßnahmen ungeeignet

Es gebe keine sicheren Schutzmaßnahmen gegen diese Wildtiere. Die Galloway-Züchter erwägen übrigens sogar eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Vertreter des hessischen Wolfszentrums, die sich bei einem Besuch auf dem Hof über seine Sorgen lächerlich gemacht hätten: „Wenn ich keine gerissenen Tiere sehen kann, soll ich den Laden zumachen“, habe Boss zu hören bekommen. „Genau so agieren CDU und Grüne. Sie lassen Menschen und ihre Sorgen alleine“, sagte Knell.

Wo aber liegen Lösungen? „Wir wollen ein Miteinander von Mensch und Wolf“, betonten die Jagdgenossen. Aber: „Wir müssen den Wolf aus dem Status absolut schützenswert heraus bekommen. Wenn wir ihn nicht konditionieren, haben wir in zwei Jahren die gleiche Wolfsjagd mit Ausrottung wie im 19. Jahrhundert. Das will keiner, aber genau darauf steuert die Wiesbadener Koalition zu“, so Cernic.

Konditionieren bedeutet erziehen. „Das hört sich schlimm an, aber ist die einzige Methode. Wir haben das bei Wildschweinen geschafft. Wenn wir im Wald kleine Futterstellen auslegen, aber beim Gang ins Maisfeld ein Jungtier schießen, merkt sich die Rotte, wo Gefahr droht und wo es sicher ist. Schießen wir aus einem Wolfsrudel beim Angriff auf Weidetiere ein Jungtier, merken sich die Wölfin und auch die anderen Jungtiere, wo Gefahr droht.“ Wenn jetzt nicht reagiert werde, sei ein Angriff auf Menschen nur eine Frage von zwei, drei Jahren, so Cernic.

Quellenangabe: Usinger Neue Presse vom 15.05.2023, Seite 7