Gefährliches Konstrukt Bürgermeister ist gefordert

04.11.2021

FDP: Gefährliches Konstrukt

USINGEN – Gerhard Brähler warnt Stadt vor Stromvertrag

Der ehemalige FDP-Fraktionschef Gerhard Brähler hat sich in seinem politischen Ruhestand mit der Entscheidung beschäftigt, dass Usingen das Stromnetz wieder übernehmen wird.

„Jetzt ist es also passiert: Die Stadtverordnetenversammlung hat unter dem Stichwort Stromnetzgesellschaft ein juristisches Konstrukt beschlossen, das in einem umfangreichen Beschlussvorschlag mit acht Anlagen für Usingen und Grävenwiesbach die Rekommunalisierung der Stromnetze beider Städte zum Ziel hat“, sagt er. Das sei ein erwägenswerter Grundgedanke. Voraussetzung für die Umsetzung dieses Projektes sei eine juristische Vertragskonstruktion, die eine realistische Risikokalkulation erlaube.

Widersprüchliche Regelungen

„Im vorliegenden Fall ist dies aber nicht möglich. Die beschlossene juristische Ausgestaltung enthält in wesentlichen Punkten Leerstellen und zum Grundgedanken widersprüchliche Regelungen“, so Brähler.

Der Kaufpreis des Netzes werde im Kaufvertrag nicht genannt. Folglich seien auch die Beiträge der Gesellschafter (Usingen, Grävenwiesbach) zur Finanzierung der Netzgesellschaft in Höhe von 40 Prozent des derzeitigen Wertes des Stromnetzes (Restwert) nicht bekannt. „Die Stadt berichtet in der Beschlussvorlage, dass die Süwag, die derzeitige Netzbetreiberin, zum Zeitpunkt des Beginns der Verhandlungen einen Betrag von 9,5 Millionen Euro forderte. Das Beratungsunternehmen der Stadt ging seinerzeit von einem Wert von 3 Millionen Euro aus. Im Laufe der Parlamentsberatungen im Jahr 2021 hört man aus dem Rathaus einen Betrag von 1,2 Millionen Euro.“ Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 25. Oktober aber liege keine Klarheit vor.

Ziel des Projektes „Stromnetzgesellschaft“ sei es unter anderem, dass die Kommunen Usingen und Grävenwiesbach als Mehrheitsgesellschafter (51 Prozent) bestimmenden Einfluss auf Ausbau und Betrieb ihrer Stromnetze erhalten würden. Der Gesellschaftervertrag der Netzgesellschaft regele aber im Paragraf 10 „Gesellschaftsversammlung“, dass wesentliche Entscheidungen – 17 an der Zahl seien einzeln aufgeführt – mit einer Mehrheit von drei Vierteln, also 75 Prozent, zu treffen seien.

„Diese Regelung verhindert im Konfliktfall die Durchsetzung der Interessen der Städte. Allein die genannten Regelungen des Vertragswerkes gefährden das Wohl der Stadt.“ Brähler weiter: „Die Hessische Gemeindeordnung regelt: ,Der Bürgermeister kann einem Beschluss der Gemeindevertretung widersprechen, wenn der Beschluss das Wohl der Gemeinde gefährdet.‘ Dieser Fall liegt hier vor.“

Bürgermeister muss Einspruch erheben

Ein politisch interessierter Bürger in Usingen wünsche sich nun einen Bürgermeister, der im Sinne dieses Paragrafen der Hessischen Gemeindeordnung fristgemäß bis zum 8. November handele, um Schaden von den Bürgern der Stadt abzuwenden.

„Wenn im Laufe der Woche Grävenwiesbach diesem Vertragswerk nicht zustimmt, steht alles wieder auf Null. Sollte der Magistrat der Stadt Usingen auf den Gedanken kommen, die Stromnetzgesellschaft ohne Grävenwiesbach alleine betreiben zu wollen, muss das Projekt erneut in den politischen Gremien der Stadt Usingen verhandelt werden. Vielleicht lässt sich dann eine Konstruktion finden, die eine realistische Risikoabwägung erlaubt.“ Grävenwiesbach hatte übrigens im Ausschuss der neuen Gesellschaft nicht zugestimmt, eine Entscheidung im Parlament steht noch aus. bur

Quellenangabe: Usinger Neue Presse vom 03.11.2021, Seite 16