Parteien und der Umgang mit dem Mitgliederschwund
Parteien und der Umgang mit dem Mitgliederschwund
USINGEN – FDP will verstärkt digitale Medien nutzen, um Jugend für Politik und Mitarbeit zu gewinnen
Die FDP mit Jochen Schneider (stellvertretender Vorsitzender), Simone Mächold (Stadtverordnete), Ralf Müller (Fraktionsvorsitzender), Dr. Bernd Büchner (Vorsitzender) will verstärkt digital Mitglieder gewinnen. FOTO: Privat
Die Usinger FDP ist derzeit mit drei Sitzen im Stadtparlament (37 Sitze) vertreten, Fraktionschef ist Ralf Müller, Parteichef Bernd Büchner. In Usingen verzeichnen die Liberalen momentan 30 Mitglieder, und Müller betont: „Hier ist sicher noch Luft nach oben.“ Und wie könnte dies gelingen?
„Unsere Parteiarbeit lebt vom Einsatz von vielen, und dabei kommt es auf jeden Einzelnen an. Im Zentrum steht bei uns daher noch immer die persönliche Ansprache der Menschen. Dies geschieht vor Ort über unsere Stammtischgespräche, in denen wir primär aktuelle lokale Themen beleuchten und diskutieren.“
Zusätzlich böte man jährlich mehrfach Veranstaltungen und Vorträge zu überregionalen Themen mit aktueller Relevanz für alle Bürger an. „Aktuell arbeiten wir an der Neukonzeption unserer Social-Media-Aktivitäten. Das fundamental veränderte Medienverhalten vor allem der Jugend zeigt, dass man hier präsent und aktiv sein muss, um junge Leute mit ihren Themen zu erreichen. Interessierte Jugendliche sind herzlich eingeladen, uns hierbei aktiv zu unterstützen.“
Einen festen Mitgliedsbeitrag gibt’s bei der FDP in Usingen nicht, der Beitrag richte sich individuell nach den finanziellen Möglichkeiten. Als Bemessungsgrundlage gelten bundesweit rund 0,5 Prozent des Bruttogehaltes. Für Schüler und Studenten gibt es entsprechende Sondertarife. Die Mitgliedschaft lasse sich übrigens schnell und einfach online beantragen.
Umfeld mitgestalten
Und was erwartet die Partei von Mitgliedern? „Grundsätzlich natürlich, dass sie die Philosophie, die Ziele sowie die liberalen Grundwerte der Partei tragen und diese zeitgemäß mitgestalten und entwickeln wollen. Ganz wichtig ist, dass sie sich grundsätzlich aktiv mit in die politische Arbeit einbringen. Dies fängt an beim Engagement für lokale Projekte, geht über das Engagement in den lokalen politischen Gremien als Stadtverordneter und im Magistrat bis hin zur Entwicklung, bis hin zur Mitarbeit und Organisation von Veranstaltungen“, sagt Büchner.
Natürlich müssen Parteien auch die Jugend ansprechen – und gehört werden: „Junge Menschen finden bei uns eine offene und liberale Plattform für ihre Anforderungen, spezifischen Wünsche, Vorstellungen und Gestaltungsideen. Bei uns sollen und können Jugendliche selbst für ihre Interessen einstehen und sie auf den Weg zur Umsetzung bringen“, formuliert Müller. Die FDP bietet in Usingen selbst keine Jugendorganisation, aber die parteipolitische Plattform der „Jungen Liberalen Hochtaunus“. Seit 2022 gibt es ergänzend auf lokaler Ebene die Julis Usinger Land.
Büchner macht auch Werbung für eine Mitgliedschaft: „Parteien erbringen die Vermittlungsleistungen zwischen der politischen Bürgerschaft und den Akteuren des Regierungssystems. Durch ihre Verankerung im Regierungssystem sind sie es, die unmittelbar politische Entscheidungen treffen, also politische Gestaltung ausüben. Die politischen Parteien sind bei uns qua Grundgesetz damit die zentralen Gestaltungs-Plattformen zur Organisation der Gesellschaft. Vor allem jungen Menschen ist oft nicht bewusst, dass sie sich in der Demokratie in den repräsentativen Gruppen als Mitglied engagieren können und müssen. Nur so können sie konkrete eigene Vorstellungen und Ziele für die Gestaltung und Weiterentwicklung unseres Gemeinwesens einbringen.“
Engagement für Projekte
Mitgliedschaften seien inzwischen „out“, die Menschen engagieren sich aber für Projekte. Gibt es in dieser Richtung Überlegungen? „Die seit Jahrzehnten anhaltende Entwicklung der Gesellschaft in Richtung Individualismus hat in der Tat zu starken Veränderungen des gesellschaftlichen Miteinanders geführt. Auch die Parteien tun gut daran, den Trend hin zum projektbezogenen Engagement der Bürger stärker in ihre Arbeit zu integrieren. Wir stehen diesem Thema sehr offen gegenüber und suchen aktiv den Dialog mit unterschiedlichen Projektgruppen im lokalen Umfeld.“
Doch das Desinteresse an Politik und den Parteien nimmt weiter zu – woran könnte das liegen? „Parteien repräsentieren grundsätzlich Werte, Meinungen und Einstellungen der Bürger, die sich in ihnen zusammenfinden. Insofern ist ein pauschales Desinteresse oder Misstrauen eigentlich nicht logisch. Die Gründe für das mangelnde Interesse liegen ganz sicher in der gesellschaftlichen Entwicklung der letzten Jahrzehnte selbst. Dies hat dazu geführt, dass man als Mensch in diesem Land heute sein Leben im individuellen Raum und unzähligen Interessengruppen gestalten kann.“ Und: Die Gesellschaft folge immer weniger einenden zentralen Zielen oder Identitätsthemen.
Müller weiter: „Die Identifikation mit dem großen Ganzen ist verloren gegangen. Der Bürger lebt sein Leben neben der Politik und hat die Politik vielleicht als verlässlichen Organisator akzeptiert. Seit Corona scheint sich dies aber wieder zu ändern.“
Stellt sich die Frage, wie die FDP generell politisches Interesse wieder wecken will? „Politik kämpft am Ende täglich mit Tausenden von Angeboten, Anreizen, Impulsen oder Möglichkeiten um die Aufmerksamkeit und Gunst bei den Menschen. Menschen entscheiden sich dabei vereinfacht gesagt für das Angebot, das ihnen in der jeweiligen Situation interessant und relevant erscheint oder sie persönlich betrifft. Insofern ist hier sicher mehr Arbeit und vor allem bürgernahe Kommunikation gefordert, die die Bedeutung und Wichtigkeit von Politik im Alltag einer Demokratie verdeutlicht. Der Bürger darf nicht ausgegrenzt werden.“
Zudem müssten Bürgern ernstgemeinte Plattformen gegeben werden, auf denen sie sich aktiv mit ihren Sorgen und Nöten oder Ideen und Vorschlägen direkt an die politisch Verantwortlichen wenden könnten. Dies gelte besonders im lokalen Raum. Ganz entscheidend sei dabei selbstverständlich Ehrlichkeit, Nachvollziehbarkeit und die handwerkliche Qualität im Dialog mit dem Bürger.
Mehr im Netz
Alle Informationen zur FDP unter usingen.fdp-hessen.de .
Quellenangabe: Usinger Neue Presse vom 03.06.2024, Seite 15