FDP kritisiert Stromvertrag als nicht ausgereift
FDP kritisiert Stromvertrag als nicht ausgereift
USINGEN – Müller: Viele Fragen sind noch offen – hohes Risiko liegt bei der Stadt
Ralf Müller als Sprecher der FDP-Fraktion blickt auf den Beschluss im Stadtparlament zurück, mit dem der Kauf des Stromnetzes besiegelt wurde. „Wir bewerten das Konzept als nicht beschlussreif“, sagte er.
Wichtige Punkte seien vertraglich nicht geklärt, das Risiko von Folgeinvestitionen habe man nicht ausreichend beachtet. „Eines vorweg: Die FDP ist nicht gegen den Erwerb des Stromnetzes, ganz im Gegenteil“, macht Ulrich Keth, der energiepolitische Sprecher der FDP, nach der Entscheidung noch einmal deutlich. Der Ansatz sei grundsätzlich richtig. Aber es sei das Gebot der Zeit, das „Aufgabenfeld Infrastruktur“ ganzheitlich lokal anzugehen. Die Zeiten der Zentralisierung wie bei der Stromversorgung seien offensichtlich vorbei. „Heute gibt es gute und kosteneffiziente Techniken und Systeme, die Energieversorgung einschließlich der Netze wieder in die lokale Verantwortung zu überführen. So wie dies in der Vergangenheit üblich war.“
„Im vorliegenden Fall des Netzerwerbes wurde eine gute Sache leider konzeptionell nicht vollständig und ganzheitlich gedacht und auf den Weg gebracht. Das Ergebnis ist ein suboptimales und lückenhaftes Vertragswerk, das die Bürger in Usingen in Zukunft eher belasten kann als nutzen“, sagt Fraktionschef Müller.
Was fehle, seien Vereinbarungen zur Produktion und Einspeisung von lokal erzeugtem Strom durch Blockheizkraftwerke, Biogasanlagen, Photovoltaik und anderem. Nur dann ergebe der Erwerb des Netzes am Ende Sinn. Usingen als „Energieautarke Stadt“ sei das Stichwort. Allein an der Erdfunkstelle werde jährlich durch die dortige PV-Anlage Strom für 1800 Haushalte erzeugt.
Dieser Strom müsse „auch hier bei uns zur Nutzung kommen. Das ist nachhaltig und kostengünstig für die Bürger“, so Müller. Hierzu hätte es einer ergänzenden Vereinbarung bedurft.
Das mehrfach seitens der „Vertrags-Befürworter“ wiederholte Hauptmotiv „Kontrolle über das Netz und künftige Investitionen“ zu bekommen, sei so nicht richtig. Grundlegende Entscheidungen müssten mit Dreiviertel-Mehrheit getroffen werden.
„Bei dem vorliegenden Vertragswerk ist nach unserer Bewertung vieles nicht deutlich geklärt. Das beinhaltet auch, dass bis heute kein finaler Kaufpreis fixiert ist“, moniert Keth. Ein zentraler Kritikpunkt der FDP sei auch der fehlende Investitionsplan. „Dieser wurde von uns angefragt, bis heute aber nicht geliefert“, so Keth. Nach seiner Einschätzung stünden in den kommenden Jahren aufgrund der gewollten Transformation von der fossilen Brennstoffgesellschaft hin zu einer Stromgesellschaft große Investitionen in das Netz an.
Über die Verteilung der Investitionskosten regelten die Verträge nichts, ergänzt Müller. Diese Kosten entfielen vermutlich zum großen Teil auf die Stadt Usingen. Geregelt sei auch nicht, was im Falle einer Nichtzustimmung seitens Grävenwiesbachs passiere. Geregelt sei auch in keiner Weise das Verhältnis zwischen Usingen und Grävenwiesbach. Gerade bei politischen Entscheidungen, deren finanzielle Folgen Bürger gemeinsam zu tragen hätten, gelte, dass man sorgfältig alle überblickbaren Folgen bedenken müsse. bur
Quellenangabe: Usinger Neue Presse vom 01.11.2021, Seite 14