Gerd Seidenstücker ist verstorben

Gerd Seidenstücker ist verstorben
Ein Mann, dem seine zweite Heimat Usingen eine Aufgabe war

Magistratsmitglied Gerd Seidenstücker ist am vergangenen Samstag überraschend gestorben. FOTO: schwarz-cromm
Usingen – Gerd Seidenstücker ist tot. Er starb am vergangenen Samstag überraschend für viele seiner Wegbegleiter und Freunde. Noch am 28. November war er – mit vielen Glückwünschen versehen – 75 geworden.
Und am Rand der Dezember-Sitzung der Stadtverordneten hatte er über Zukunftspläne gesprochen, aber auch im typisch kölschen Dialekt die Zipperlein bedauert, die einen im Alter so plagen. Und schmunzelnd betont. „Isch ben net ahl, nor rief.“ Den Dialekt, wenngleich er eigentlich üblicherweise (fast) perfekt hochdeutsch sprach, hat er nie abgelegt.
Immer Zeit genommen
Er war ein Original. Ein Politiker mit den Bürgern auf du und du. Der eine klare Meinung hatte, verhandeln konnte, Kompromisse fand, sein Wort hielt – und immer ein offenes und ehrliches Lächeln zeigte. Seidenstücker war ein Vereinsmensch, einer, der anpackte und den Spruch „Man müsste“ in „Ich mach dat“ wandelte.
Selbst als Gast beim Familienfest war er sich als Besucher und Magistratsmitglied nie zu schade, Bänke zu schleppen, Müll einzusammeln und am Ende sich noch gemütlich Zeit zu nehmen für einen Plausch. Er nahm sich eigentlich immer Zeit – für die Menschen um ihn herum. Im Schützenverein als langjähriges Mitglied und lange im Vorstand wurde er zum Ehrenmitglied ernannt. Als langjähriger FDP-Stadtverordneter (ab 2002) war seine Meinung fundiert – schon 2016 warnte er eindringlich davor, das Prinzenpalais an Investoren zu verkaufen. Er behielt recht. 2009 wechselte er, noch unter Bürgermeister Matthias Drexelius, in den Magistrat und arbeitete dort bis zu seinem Tod mit.
So nebenbei war er bei fast jeder möglichen Blutspende, 1998 war er sogar der 10 000. Blutspender in Usingen. Er erhob sehr deutlich seine Stimme für den Erhalt der Klinik, gegen den Wegzug des Gerichts, für die Umgehung und war mit den Plänen für den neuen Marktplatz nicht so ganz einverstanden – auch beim alten Marktplatz war ihm zu viel Beton und zu wenig Herz im Spiel.
Herz hatte er, denn er kümmerte sich im Ortsbeirat um die kleinen Dinge. Gerade jene, die Bürger bewegen – schiefe Laternen, Stolpersteine im Gehweg, fehlendes Licht und unschöne Ecken.
Noch 2023 startete er seinen Selbstversuch mit dem Rollator, um nicht barrierefreie Ecken der Stadt aufzuzeigen. Denn gerade die älteren Bürger lagen ihm am Herzen – deshalb war er auch aktiv im Seniorenbeirat tätig.
Er hielt auch bundespolitisch nicht hinterm Berg und warnte den damaligen FDP-Bundesvorsitzenden Philipp Rösler 2011: „Wir Liberale laufen Gefahr, bedeutungslos zu werden.“ Auch in diesem Punkt hatte er recht gehabt.
1949 in Leverkusen geboren, war er früh ein Fan der Freiburger Thesen der FDP. Sie haben den jungen Mann damals, vor über 45 Jahren, bewogen, in die FDP einzutreten.
Zu Wernard Meinung korrigiert
Nach Usingen gekommen ist Familie Seidenstücker (ein Sohn) im Jahr 1992. Von Leverkusen über Bad Homburg in die Buchfinkenstadt. In vielen Orten haben sie sich umgeschaut; Usingen mit dem Neubaugebiet Schleichenbach und seiner Infrastruktur habe ihnen am besten gefallen. Er war Kaufmann und in der Zigarettenindustrie tätig, auch wenn er eigentlich Koch werden wollte. Aber die Arbeitszeiten schreckten ab.
In einem Interview (2010) bekannte er noch: „Mit Skepsis habe ich den Amtsantritt von Steffen Wernard beobachtet. Doch heute sage ich: Hut ab vor dem jungen Bürgermeister!“ Und das war es auch, was Seidenstücker auszeichnete: Seine Meinung korrigieren zu können, Fehler zu gestehen. Er war einfach der Freund, den man sich wünscht. Die Trauerfeier ist am 22. Januar ab 15 Uhr in der Trauerhalle, beigesetzt wird er in Leverkusen.
Quellenangabe: Usinger Neue Presse vom 10.01.2025, Seite 30