Interview mit FDP Parteichef Dr. Bernd Büchner

27.01.2022

Liberaler mit Hang zum Ausgleich

USINGEN – FDP-Parteichef Dr. Bernd Büchner will den Dialog mit anderen Parteien verstärken

FDP-Parteichef Dr. Bernd Bücher sucht verstärkt den Dialog mit den anderen Parteien. FOTO: Privat

Eigentlich steht er gerne in der zweiten Reihe, vielleicht auch, weil er sich als Polit-Neuling bezeichnet. Obwohl Dr. Bernd Büchner, seines Zeichens FDP-Parteichef in Usingen, inzwischen längst trittsicher geworden ist auf der politischen Bühne.

Neuling, weil er erst seit 2018 politisch aktiv ist. Was durchaus auch mit seinem Lebenslauf zu tun hat, denn der 1960 geborene Büchner kann einen sehr beachtlichen Weg vorweisen. Sowohl in Florenz als auch in Braunschweig, Mainz, Rotterdam und Frankfurt studierte er bis zum Magister in Publizistik, Psychologie, Politikwissenschaft und Literaturwissenschaft, dann Promotion in Wirtschaftswissenschaften, und arbeitete in Weltfirmen in den USA, London, Brüssel, Frankfurt, Bielefeld, war an der Uni Boston tätig, bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaft – die Liste ist zu lang.

Zum Job „geschubst“ worden

Nachdem der Vater von zwei Kindern sich als Unternehmensberater zeitlich flexibler aufstellte, wollte er „nicht schon zum Frühstück ein Glas Wein“ aufmachen – und suchte und fand mit etwas Schieben von FDP-Größen wie Stefan Ruppert oder auch Stefan Naas eine politische Heimat bei der FDP. „Das war eigentlich schon immer meine politische Heimat“, sagt er.

Und weil die Partei zwar eine gute Zahl Mitglieder hat, aber weniger auch mit zeitlich zur Verfügung stehenden Politikern protzen kann, wurde er nun gleich für den Kreisausschuss als ehrenamtlicher Beigeordneter nominiert – sozusagen ist er in der Kreisverwaltung tätig.

Mit seiner ehrenamtlichen Arbeit bei der Usinger Tafel und sonstigen Posten auf freiwilliger Ebene hat sich der Wernborner seinen privaten flexiblen Zeitplan „zerstört“ – aber das mit viel Spaß.

Büchner ist ein Optimist, einer, der noch was ändern möchte – mit liberaler Sicht auf die Sache. Das ist nicht immer en vogue, zeigt aber seinen Kollegen immer, welche Eckpfeiler er für sich eingeschlagen hat, politisch und sozial. „Ich glaube, dass wir viel mehr die Meinung des anderen beachten müssen, auf Menschen eingehen, die durch Ängste, durch Sorgen andere Sichtweisen entwickelt haben.“ Dazu gehört auch die klare Kante: Keine Impfpflicht. „Die Freiheit des Menschen steht oben an.“ Was nicht bedeutet, dass er gegen die Spritze wäre. Aber als Liberaler ist die Eigenverantwortung, die Selbstbestimmung immer an oberster Stelle.

Usingen ist für ihn eine Heimat geworden nach den vielen Stationen auf der Welt. Eine Heimat, die er mitgestalten möchte. Und da hat er recht konkrete Vorstellungen, was das Wie betrifft. „Ich glaube, dass wir gerade in der Usinger Politik viel mehr miteinander reden müssten ohne den Druck einer öffentlichen Sitzung. Beim persönlichen Austausch in privater Ebene sind Themen viel einfacher zu beleuchten und Lösungen zu finden. Die herkömmliche Art – Mehrheit bestimmt, Opposition kritisiert – führt nicht immer zu den optimalen Ergebnissen“, so sein Credo.

Kurzer Dienstweg erfolgreicher

Dazu gehört für ihn auch, dass er sich mit allen Parteien unterhält – außerhalb der politischen Ebenen. Der kurze Dienstweg ist ihm per Telefon allemal lieber, um ein Thema zu diskutieren, als dies über die Fraktion in Sitzungen zu tun.

Vielleicht ist seine Art mit Menschen und Themen umzugehen auch ein Grund, warum die FDP in den letzten zweieinhalb Jahren Zulauf hat – viele von den neuen Mitgliedern sind noch sehr jung und wollen sich engagieren.

Und für ihn sind auch langfristige Planungen wichtig, also Ideen für Szenarien entwickeln, die noch in weiter Zukunft liegen. Beispiel Nordostumgehung: „Wir gehen davon aus, dass sie kommt. Wissen kann es keiner. Aber dennoch müssen jetzt Konzepte erdacht werden, die sich mit der Stadtplanung beschäftigen, wenn die Umgehung kommt. Was passiert dann mit den innerörtlichen Straßen? Können wir Fußgängerzonen schaffen? Können Einbahnstraßen aufgehoben werden, um eine andere Verkehrslenkung zu erreichen? Und was ist mit dem Gewerbe – was kann, was muss die Stadt tun, damit sie attraktiv bleibt, auch wenn der Verkehr um sie herum fährt?“

Das Thema, so seine Überzeugung, gehöre jetzt bei allen Parteien mit Zutun der Bürger und Verwaltung auf die Tagesordnung. Klar gebe es alte Konzepte, aber das Wort alt sage ja schon alles.

Dass er bei seiner politischen Arbeit auf Kreisebene feststellte, dass in Sachthemen die Parteibarriere oft überwunden wird, das kann er sich auch in Usingen vorstellen. „Sicher sieht eine Opposition Dinge auch mal anders als Regierungsparteien. Aber vor Entscheidungen darüber zu reden, nicht nur in Sitzungen, bringt jede Kommune weiter.“

Es sind noch mehr Themen, die er gerne baldmöglichst anpacken würde, auch wenn zum Teil bereits Konzepte existieren. Konzepte, über die er aber reden möchte. Was passiert in der Bahnhofstraße. Wie geht es bei Gewerbeflächen weiter? Wie sieht die Verkehrslenkung künftig aus?

Büchner hat sozusagen politisch Blut geleckt. „Ich muss noch bei vielen Themen dazulernen, dafür bin ich noch nicht lange genug in der Stadt“, meint er schon fast selbstkritisch. Das vergangene Jahr in seiner Kreispolitik habe schon eine sehr steile Lernkurve gehabt.

Aber vielleicht ist es auch genau das, was Kommunalpolitik öfter mal brauchen würde: Einen ganz unbelasteten Blick von außen. bur

Quellenangabe: Usinger Neue Presse vom 17.01.2022, Seite 14